Jenseits des Zauns …
Jenseits des Zauns …

Jenseits des Zauns …

… ist das Gras immer grüner. Auch wenn da gar nichts wächst.

Ich hab sie jetzt seit bald 13 Jahren. Sie sind bei mir geboren und wenn ich darf, werden sie auch bei mir sterben. Ihnen blieb bislang alles erspart, was für andere Shettys Alltag ist. Viele Tiere sind erst Spielzeug und -gerät für den Nachwuchs, werden dann zum Wanderpokal und von Hand zu Hand gereicht, oder dienen – im besten Fall – als Gesellschafter für große Pferde.

Die beiden Racker auf dem Foto müssen nichts, was sie nicht wollen. Ich tüddle ein bisschen mit ihnen herum, habe sie so erzogen, dass sie brav die Füße geben, niemanden beißen oder treten, sich aufhalftern und im Doppelpack problemloser führen lassen, als viele Hunde, die uns begegnen. Sie können auf Kommando mit dem Kopf wackeln (manchmal klappt’s, manchmal nicht), der Große macht einen Knicks, wenn’s Möhrchen gibt (nicht immer und auch nicht immer öfter, eher hin und wieder) und die Kleine ist Meisterin im Augenrollen und hysterischen Davonlaufen vor nichts.

Das Gesetz der Wahrscheinlichkeit

Es ist mir in den 13 Jahren – großzügig geschätzt – viermal passiert, dass die Rocker ausgebüxt sind. Das ist wenig, aber es reicht ja DAS eine Mal, bei dem es am Ende nicht gut ausgeht. Entsprechend hoch schlug mein Puls, als heute Abend außer jeder Menge Gras und dem alten Apfelbaum auf der Weide nichts weiter zu sehen war.

Die Ponys – einfach weg. Weg!

Es ist erstaunlich, was der Kopf, also mein Kopf, dann für eine Strategie abfährt. Ob sie vielleicht …
… hinter dem Gewächshaus sind? (Da ist nicht mal Platz für mich.)
… oder gar im Gewächshaus sind? (Wie sollten die eine Schiebetür aufmachen?)
… oder – juhu! – in ihren Stall gewandert sind? (Wovon träumst du nachts, das sind SHETTYS, die laufen zur Not bis nach Dänemark, aber NICHT in ihren Stall.)
… am Ferienhäuschen hocken und die Aussicht auf den Teich genießen? (Klar, und der Löwe aus Berlin ist auch auf Besuch!)

Jedenfalls nach einer gefühlten Ewigkeit war mir klar: Weg ist weg. Und zwar so weit weg, dass ich wirklich Schiss bekommen hab. Denn normaler Weise schlägt ja doch irgendein Nachbar bei uns Alarm, wenn dem anderen ein Tier abhanden kommt oder sonst was Ungewöhnliches geschieht.

Also sind wir ausgeschwärmt: Sönke zum Kanal, ich Richtung Dorf und Nachbar Gerhard hielt die Stellung (für den Fall, dass sie doch im Gewächshaus geschlafen hätten).

Und da standen sie dann, kurz vor Dorfes Mitte, auf dem sattgrünen, frisch gemähten Randstreifen an der Spurbahn. Grad so, als gäbe es zu Haus nix auf den Tisch. Der Stein war riesig, der mir vom Herzen fiel. Aber – ich weiß es aus Erfahrung – sie da stehen zu sehen, ist erst der halbe Sieg. Während der Große den Kopf hebt und den Apfel in meinen Händen sieht, siegt bei ihm schon die Gier über den Freiheitsdrang.

Nicht so aber bei ihr.
Diese kleine ausgebuffte Zicke weiß ganz genau, dass mit dem Apfel der schöne Teil des Tages ein Ende hat. Erst ignoriert sie mich dann. Und sowie ich mich nähere, dreht sie mir den kleinen, dicken Hintern zu, reckt den Hals und guggt, wie ein Chamäleon, mit einem Auge in Fluchtrichtung und mit dem anderen nach hinten zu mir.
Eine falsche Bewegung! Das ist das, was mir diese Haltung von den Ohren bis zum Schweif hin signalisiert.

Glück gehabt!

Wie gut, dass sich genau in dem Moment vom Dorf aus ein Auto genähert hat. Eingekeilt zwischen Blech und Apfel hat sich die kleine Madam schließlich entschieden, für’s Erste klein beizugeben. Das gilt aber nur für heute, hat sie mir zugeraunt, als ich ihr das Halfter über die Ohren zog und die beiden nach dem Heimweg auf ihrer Hausweide in den Feierabend entließ.

Püüüh. Et hätt noch immer jut jegange. Jedenfalls für dieses Mal.

Jetzt trennt Bullenschreck B5/B6 mit 10,5 Volt die Lütte(n) vom Rest der Welt. Der Mann googelt nach Harpunen. Und ich zähle im Spiegel das neu ergraute Haar.

Und: Ich könnt schwören, die Ponys flüstern im Stall. Und hecken einen Plan aus fürs nächste Mal.

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