Blumen oder Fabelwesen?
Die Aufzählung all der Wald- und Wiesenblumen, die viele Jahre in den Strauß gehörten, den ich meiner Mama jeweils zum Muttertag gepflückt habe, liest sich wie eine Liste kleiner Fabelwesen aus einem Tolkien-Roman.
Rote Taubnessel, Lerchensporn, Wiesenschaumkraut, Rote Lichtnelk, Giersch, Wilde Malve, Glockenblumen, Wegwarte, Witwenblume, Zottelwicke, Schafgarbe, Ochsenauge, Klappertopf und Lungenkraut und wie sie alle heißen.
Steckbriefe aus Berlin
Von vielen der Blüten habe ich heute zum ersten Mal die Namen gelesen und bei der Suche nach den einzelnen Pflanzen hat mir die Gartendatenbank von Gabriele Jesdinsky aus Berlin ungemein geholfen. Leider darf ich die Bilder nicht ohne Weiteres verwenden und mit meiner Anfrage an Frau Jesdinsky war ich zu spät dran, um für heute noch eine Antwort erhalten zu können. Hinter jedem klangvollen, phantasiereichen Namen, den die Botaniker den Pflanzen gaben, verbirgt sich also der entsprechende Link zur Gartendatenbank aus Berlin. Wer neugierig ist, kann dort per Klick einen Besuch abstatten.
Am Bach wächst die Bachwurz
Eine ganz besondere Blume, die ebenfalls in meinen Sträußen zu finden war, habe ich allerdings nicht ausfindig machen können. Sie sieht ein bisschen so aus, wie die kleinere Variante der Schachblume und war an Bachläufen zu entdecken. Eine bordeauxfarbene kleine Glocke mit aprikosenfarbenem Innenleben. Vielleicht kennt sie jemand unter meinen Lesern? (Inzwischen bin ich fündig – sie heißt Bach-Nelkenwurz.)
Liebe zur Natur
Ich erinnere mich an eine wunderschöne Kinderzeit, an den Bachlauf vor unserem Haus, in dem Krebse, Forellen und Steinbeißer zu entdecken waren. Darüber hinaus Muscheln, Wasserschnecken und kleine regenbogenbunte Fische, deren Namen ich nicht kenne. In Teichen und Weihern fanden wir beim Spielen die Gelbbauchunke, Molche und Frösche und Salamander, sammelten Froschlaich und versuchten, ihn in der heimischen Garage in Eimern aufzuziehen (was leider meist misslang und aus heutiger Sicht betrachtet ziemlich grausam mindestens aber gedankenlos war.)
Mit offenen Augen durch’s Leben
Ich bin immer mit offenen Augen durch die Natur gegangen, habe mich an den Bergwiesen in Bayern und deren Kräuter- und Blumenvielfalt erfreut, im Brandenburgischen über so ganz andere Pflanzenarten und die unzähligen Pilze gestaunt und bin in Schleswig-Holstein, wie nirgendwo zuvor, regelrecht auf der Suche nach dem, was man ansatzweise als sich selbst überlassenes Stück Natur bezeichnen kann. Auf den riesigen Weiden und Wiesen ist die Artenvielfalt verschwunden und der Überdüngung und bäuerlichen Ökonomie zum Opfer geworden. In den Mooren allerdings, die uns hier umgeben, ist dann wieder ein ganz anderes Stück Natur zu finden. Lilien, die ich von zuhause lediglich aus dem Blumengeschäft kannte, säumen hier in vielen Farben und Formen die Gräben und Feuchtwiesen. Ringelnattern tummeln sich und die flinken Bisamratten, die aussehen wie kleine Biber, flüchten elegant durchs Wasser.
Kindertage
Heute pflücke ich einfach in Gedanken einen schönen Strauß für meine Mutter und freue mich über dieses wunderschöne Stück unbeschwerte Kindheit, in dem meine Liebe zur Natur ihren Ursprung fand. Ich denke an die riesigen Spaziergänge über die Schwäbische Alb, bei denen meine Schwester und ich unseren Vater für seine unermüdliche Ausdauer verflucht haben. An die Blasen an den Fersen, den unbändigen Durst, die von der Sonne verbrannten Nasen und die welken Blümchen in meiner Hand, die weit weniger Ausdauer hatten als wir Kinder und oft die Wanderungen kaum überstehen konnten. An den wahnsinnig köstlichen Geschmack einer Bluna, die Hände und Mund verklebte und die es nur zu ganz besonderen Anlässen gab. Ich denke an die atemlose Freude, wenn uns ein Reh begegnete oder ein Hase unseren Weg kreuzte. Und dann fällt mir ein, dass mich heute die Rehe auf meiner Terrasse besuchen und dass ich mir mit meinem Garten wohl ein Stück Kindheit zurückholen möchte.
Bärlauch, Fingerhut und Schlüsselblumen sind im Wolfsnest jedenfalls angewachsen. Und Margeriten, Kornblumen und Co. werden sich sicherlich auch noch heimisch fühlen lernen.
Ganz so, wie ich selbst.