Das Ende einer langen Reise
Moin liebe Leserin, lieber Leser,
hinter mir liegt eine recht lange Reise, die in Baden-Württemberg ihren Anfang nahm, mich über Bayern nach Berlin und schließlich im Jahr 2006 nach Schleswig-Holstein führte. Eines habe ich über all die Stationen, über Degerndorf, Ambach und Feldafing am Starnberger See, über München West und München Ost, über den Wedding und Tiergarten in Berlin nie verloren: Meine Freude, an allem was blüht, an Formen und Farben der Natur, an kleinen und großen Viechern. Und das Empfinden von Augenblicken richtigen Glücks, wenn ich „da draußen“ bin.
Zum ersten Mal im Norden
Mit 19 Jahren war ich zum ersten Mal auf der Insel Sylt, ein Jahr später dann in Husum und Flensburg, an der Schlei und in Hamburg. Die knapp 1.000 Kilometer zwischen „da unten“ und „da oben“, sie fühlten sich an wie eine kleine Weltreise. Und die Fahrt vom Süden in den Norden war ein Wechsel aus der Pracht der Natur, der Kraft der Farben und Formen des Südens hin zur Weite der Landschaft an der Küste und ihren spröden Farbtönen. Inzwischen weiß ich, dass der Norden förmlich dazu auffordert, genau hin zu sehen. Dass eben diese Weite ihre ganz besonderen Schätze dann offenbart, wenn man verweilt, sich also Zeit für sie nimmt.
Schleswig-Holstein ist schön!
Nun lebe ich also schon eine kleine Weile in Schleswig-Holstein, habe hie und da eine rechte Sehnsucht nach den Bergen und ganz besonders nach Wald. Nach den Streuobstwiesen aus meiner Kindheit, den geheimnisvollen Tannenwäldern und ja, überhaupt nach Bäumen, die mir immer eine Form von Geborgenheit gaben. Und wenn ich im Süden bin und meine Familie besuche, dann vermisse ich den ewigen Wind und diese unglaublich Weite, die ich an vielen Orten im Norden als Freiheit empfinde. Dann beklemmen mich die Enge, die Nähe von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf und Stadt zu Stadt.
Zuhause im Wolfsnest
Das „Wolfsnest“ – mein Zuhause – ist der Ort, der beides vereint.
Alte Eichen und Kastanien, Birken- und Erlenreihen umsäumen das Grundstück. Holunder, Flieder, Forsythie, Wildrose, kleine Weiden, Azaleen und Rhododendron sind meine Insel, umgeben von weiten Wiesen und dem Blick auf den Nord/Ostseekanal. In knapp 400 Metern Entfernung durchkreuzen Segler, gewaltige Container- und Passagierschiffe das Land von Kiel bis Brunsbüttel und umgekehrt. Surreal sieht es aus, wenn die Schornsteine und Kapitänsstände, die Masten und Stahlcontainer über den Baumkronen auftauchen und übers Land zu schweben scheinen. Bei Nebel melden Hörner mit dumpfem Klang dem Entgegenkommenden den Anspruch auf die Wasserstraße an. Dieselmotoren tuckern bedächtig und bringen Wassersportler an ihr Ziel.
Unser Wolfsnest ist ein Erbe. Hier lebte bis zu seinem Tod ein altes Ehepaar, dessen Hände Werk überall zu finden ist, auch selbst nach mehr als 10 Jahren noch. In jedem Frühling erblühen unzählige Narzissen, Schneeglöckchen und Krokusse, die vor vielen Jahren von einer gerade einmal 1.50 Meter kleinen Person in die Erde gegraben wurden. Die riesige Azalee am Eingang zum Haus, das Hufeisen am Giebel, der kleine Teich – wir haben vieles nicht verändert und bislang so belassen. Im Haus selbst geht es nach und nach erst daran, Eigenes zu schaffen. An die beiden alten Menschen denke ich oft und ich danke ihnen für ihre Liebe zu den Bäumen, die ihr Leben überdauert und nun das meine bereichert.
(Das Foto stammt aus 2005, kurz vor der Übergabe des Grundstücks.)
Viel Handarbeit tut Not
Auch meine Handschrift ist im Garten inzwischen deutlich zu erkennen. Immer wieder bin ich erstaunt, wie und dass ich den Dingen Gestalt geben kann. Diese Erkenntnis nötigt auch zu Vorsicht und Respekt – einmal gefällt ist nicht mehr rückgängig zu machen. Vom alten und nach anfänglicher Abneigung lieb gewonnenen Holzofen haben wir uns vor zwei Jahren getrennt. Manchmal war es im Winter frühmorgens im Kühlschrank wärmer, als in der Küche. Brennholz kaufen, hacken, schichten – Späne schlagen und für den Kohlenvorrat sorgen – das gehört nun der Vergangenheit an. Die Erfahrung allerdings, wie viel Mühe und Arbeit es bedeutet, für warmes Wasser und eine annehmbare Raumtemperatur zu sorgen, die möchte ich nicht missen. Unvergessen bleibt die Räucherhöhle an heißen Sommertagen, wenn ich warmes Wasser zum Duschen brauchte, und der Rauch nicht nach oben abziehen sondern nach unten kriechen und mich aus dem Haus treiben wollte. Und auch das Stück vom linken Daumen, geopfert der Axt und dem Duschbad, wird mich ewig an den „ollen“ Eisenofen erinnern.
Über das Glück mit dem Glück
„Landglück“ – das ist meine schiere Freude an all den Blüten, auf die ich mich in diesem und in allen kommenden Jahren freuen darf. Das Glück, die beiden Kater in der Sonne liegen zu sehen, sich räkelnd. Die Freude über die Besuche von Reh und Bock, Fasan und Fasänin, Hasen, Fröschen, Ringelnattern, Mardern und Mauswieseln und den Kranichen, deren unverwechselbares Rufen vom Schilfgürtel am Kanal aus zu hören ist. Spaß an den stolzierenden Laufenten der Nachbarn, die uns besuchen. Das Glück über die Verwirklichung meines Kleinmädchentraumes – wenn die beiden Ponys einander jagen oder einfach nur friedlich grasen und ab und an schnauben. Glück ist das Lachen, wenn am Abend die Lämmer zum „Tanz“ in wilden Sprüngen und Hüpfern ihre Energien loswerden. Die Schönheit der Bewegungen, wenn die großen Pferde der Nachbarn über ihre riesige Weide galoppieren und der Moorboden bebt. Das ist der Stolz, wenn ich einen Teil der Ernte vor Schnecken, Regengüssen, Raupen und Wildverbiss retten kann. Wenn Tomaten, Zucchini, Kräuter und Salat, Beeren, Pflaumen und Äpfel Einzug in die Speisekammer halten. „Landglück“ ist auch mein Schätzen von Ruhe, manchmal von Stille, von Abgeschiedenheit. Und die Freude über den Gruß vom Nachbarn, die Hilfsbereitschaft der Menschen auf dem Land.
Über all das möchte ich hier erzählen, in Worten und Bildern, und ich freue mich über Gäste und Besucher und herzlich auch über Gastautoren,
herzlich willkommen auf „Landglück“.
(Text vom 10. Mai 2013, damals noch www.landglueck.me)